Von der hobit zur Esa
Heute ist er ESA-Chef und der oberste Weltraumfahrer Europas, doch als früherer Präsident der TU Darmstadt hat Johann-Dietrich Wörner die hobit mit aufgebaut. Er ist selbst Vorbild für eine ungewöhnliche Karriere à la hobit.
Als Johann-Dietrich Wörner 1995 ins Amt des Präsidenten der TU Darmstadt gewählt wurde, war die hobit gerade geboren. Er erinnert sich gerne an erste Messetermine: „Das war toll. Die Universität hat sich geöffnet, ist raus und auf junge Menschen zugegangen“. So etwas hat dem Bauingenieur-Professor, der bei Studierenden beliebt war, immer schon gut gefallen. Wörner hat selbst drei Kinder, die alle an der Uni waren. Seine jüngste Tochter, erzählt er, studiert derzeit Architektur an der Hochschule Darmstadt. „Der Kontakt kam auf der hobit zustande“, weiß er. Doch auch für die TU und die Stadt sei die hobit-Messe von Anfang an ein Gewinn gewesen. „Das war identifikationsstiftend für Darmstadt und auch die hiesigen Hochschulen sind sich näher gekommen, weil sie die hobit gemeinsam veranstalten“, sagt Wörner.
Tun, woran man Freude hat
Den jungen Messebesuchern rät er, was er auch seinen eigenen, heute erwachsenen Kindern immer geraten hat: Tut, woran ihr Freude habt. Sucht nach dem Studium oder Beruf, in dem ihr glaubt, etwas bewegen zu können, nicht, wo ihr das meiste Geld oder die steilste Karriere machen könnt.“ Die hobit, findet er, sei eine gute Möglichkeit für Schüler, „auszuloten, was ihnen Spaß machen könnte“.
Wörner hat selbst eine ungewöhnliche Karriere hingelegt, die sicherlich so nie geplant war. In Kassel geboren studierte er Bauingenieurwesen an der TU Berlin und der Technischen Hochschule Darmstadt, wie die TU damals noch hieß. Für einen Forschungsaufenthalt zum Thema Erdbebensicherheit ging er ein Jahr nach Japan. 1990 wurde er Professor in Darmstadt, 1995 Präsident der TU, die er 2005 als erste deutsche Universität erfolgreich in die Autonomie, die Unabhängigkeit vom Land Hessen, führte. In der Auseinandersetzung um die Erweiterung des Frankfurter Flughafens, leitete er das Regionale Dialogforum, das einen Ausgleich zwischen Anwohnern und Airport suchen sollte. Als er 2007 als Vorstandsvorsitzender zum Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln wechselte, trauerten gerade auch Studierende „Papa Wörner“ hinterher, wie manche ihn an der TU nannten.
Als Kind suchte er den Sternenhimmel ab
Seit Juli 2015 ist der Darmstädter nun Europas oberster Raumfahrer, Generaldirektor der Europäischen Weltraumagentur ESA in Paris. Wörner ist erst der zweite Deutsche in diesem europäischen Spitzenamt. Als kleiner Junge habe er mit seinem Vater den Sternenhimmel nach den russischen Sputnik-Satelliten abgesucht, erzählt er. „Ich habe alle Raumfahrt- und Mondmissionen verfolgt und auf einer Karte gesammelt.“ Chef der ESA zu sein, sei „deutlich mehr“, als er je erhofft habe. Er bezeichnet es als einen Berg, den er erklommen habe, aber im Prinzip gehe es nicht darum, das höchste Ziel zu erreichen, sondern eins, mit dem man zufrieden sei, an dem man Freude habe.
Wörner trifft Studierende in ganz Europa
Das klingt bescheiden und die Bodenhaftung hat der Darmstädter auch als ESA-Chef nicht verloren. Er wohnt mit seiner Familie noch immer im selben Haus in Darmstadt, fährt noch immer das gleiche Auto und in den europäischen Städten, trifft er nicht nur Minister, sondern jedes Mal auch Studenten der örtlichen Uni. „Und darauf bereite ich mich gut vor, die jungen Leute sollen schließlich etwas mitnehmen aus meinen Vorträgen.“ Er nennt das seine „Mission“ oder sein „Sendungsbewusstsein“.
Noch oft in Darmstadt
Auch an seiner alten Universität engagiert er sich weiterhin. Gerade war er in Bukarest, die nächste Station wird Warschau sein. Vermutlich hat er eine 100 Stunden-Woche, doch für die Zwischenstation in der Heimat Darmstadt muss Zeit sein und sei es nur kurz.
Die Familie lebt nach wie vor in Darmstadt, der Arbeitsmittelpunkt heißt jetzt jedoch Paris. Von dort pendelt er zu den sechs ESA-Standorten und quer durch Europa, arbeitet von morgens 6 bis spät in den Abend. Die französische Hauptstadt genießt er bei der morgendlichen Joggingrunde von seiner Wohnung zum Eifelturm. Ein Frühsport, der seinen Sicherheitsleuten seit den Terroranschlägen die Schweißperlen ins Gesicht treibt. Wörner hält sich selbst nicht für gefährdet und er will der Angst keinen Raum geben. „Man muss dem die Stirn bieten“, sagt er, obwohl der ESA-Hauptsitz gleich neben der libyschen Botschaft und einer Synagoge liegt.
Als oberster Raumfahrer, der mit den Europäern, Russen, der USA und China zusammenarbeitet, sieht er in Terror- und Flüchtlingszeiten wenigstens das Ziel vom „United Space“, dem vereinten Weltraum, erreicht.
„Ich fühle mich als Brückenbauer“, beschreibt er – ganz Bauingenieur - seine neue Aufgabe, auch wenn er nicht immer einer Meinung ist mit den Staatenlenkern, die er trifft. Zumindest seine eigenen persönlichen Werte von der Freiheit des Einzelnen, von Demokratie und Toleranz hält er hoch, betont er. Fotos zeigen ihn mit Russlands Präsident Putin, mit dem französischen Staatschefs Hollande, Sarkozy oder Kanzlerin Merkel. „Es ist spannend, aber ich fühle mich nicht anders durch diese Treffen“, sagt Wörner. Es gehe dabei auch nicht um ihn, sondern sein Amt. Unter ESA-Kollegen pflegt er den persönlichen Stil. „Dort bin ich Jan, nicht Herr Wörner“. Den Johann-Dietrich hat er schon zu Uni-Zeiten stets weggelassen.
Urlaub macht ihn nervös
Nur eins erträgt der ESA-Chef nicht: Urlaub. Im für Franzosen heiligen Ferienmonat Juli muss Wörner eine Woche Zwangspause einlegen, daheim in Darmstadt. „Jeden Tag werde ich nervöser“, lacht er. Auch seine Dauerkarte für die Bundesliga-Spiele der Lilien überlässt er freimütig seinen Kindern. 90 Minuten Spiel ohne Arbeit? Das ist ein Berg, den Jan Wörner erst noch erklimmen muss.